Psycho-News-Letter Nr. 19 : Psychotherapie - Über, unter oder neben der Psychoanalyse?
Es ist noch nicht so sehr lange her, da konnte man auf psychoanalytischen Kongressen die folgende irritierende Erfahrung machen: Jemand stellte eine analytische Behandlung vor und die ersten Diskussionsbemerkungen stellten fest, hier habe es sich nicht um Analyse, sondern „nur“ um Psychotherapie gehandelt. Da der jeweilige Vortragende unter der Last dieses Anwurfs regelhaft in die Knie ging, kann man nicht anders als der Vermutung Ausdruck geben, daß „Psychoanalyse“ etwas war, daß weit oben positioniert wurde, oberhalb der Psychotherapie und dieser selbstverständlich überlegen. Spätestens seit dem Psychotherapeutengesetz von 1999 hat es hier eine Umkehrung gegeben. Als andere Therapien sich Einfluß verschafften, avancierte „Psychotherapie“ plötzlich zum Oberbegriff und „Psychoanalyse“ fand sich unter diesem Stichwort wieder, sie war eine Therapie – neben anderen geworden. Neuerdings nun gibt es eine Gruppe von Therapeuten, die sich verstärkt der „tiefenpsychologischen Psychotherapie“ (TP) zuwenden und hier ist nicht klar: gehört die TP neben die Psychoanalyse als eine weitere Variante „der“ Psychotherapien überhaupt? Oder ist sie eine Anwendung der Psychoanalyse (und damit eine Filialgeneration von ihr) oder ist sie vielleicht sogar der Psychoanalyse überlegen – in ihren Wirkungen und Effekten? Das alles hat natürlich nicht nur sachliche Einteilungsgründe, hier spielt ein erhebliches ökonomisches und Marktbereinigungsinteresse hinein. Aber zur Versachlichung kann man doch beizutragen versuchen.
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