Psycho-News-Letter Nr. 27 : Widerspruch, Schönheit, Zeit

Daß nichts im Leben sich so schickt, wie man es gerne hätte, lernt man erst schätzen, wenn man etwas älter geworden ist. Manchen jüngeren Leuten kommt es manchmal noch so vor, als müsste alles so lecker geschleckt vonstatten gehen, wie es die Werbung vorgaukelt; die ihrerseits nutzt mehr und psychologischen Jargon („Weil ich es mir wert bin...“) und bietet suggestiv ihre Sprüche zur Remoralisierung eines in verschärften sozialen Auseinandersetzungen gefetzten Selbstbewusstseins an. Ein bedenkliches Beispiel: Als 1980 Franz-Josef Strauß Bundeskanzlerkandidat werden wollte, warnte ein bekannter Psychoanalytiker in „Psychologie Heute“ vor allzu viel Aufregung, wir sollten den „Strauß in uns“ entdecken. Und im Zusammenhang mit der damals erneut beginnenden NS-Auseinandersetzung wurden wir auch aufgefordert, den „Hitler in uns“ zu entdecken. Heute lesen wir auf Plakatwänden die kesse Replik: „Entdeck den Spießer in Dir!“ und werden von einer Bausparkasse zum Häuslebauen animiert. Unfreiwillig ironisiert diese Kopie eines psychologischen Diskurses in der und durch die Werbung, wie erfolgreich Psychotherapie mittlerweile ist – aber die Psychotherapie könnte an diesem Erfolg geradezu scheitern!

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