Psycho-News-Letter Nr. 48 : Gewalt - Macht - Gesellschaft
Macht ist eines jener Wörter, mit denen sich Psychoanalytiker schwer tun. Die einen wissen nie so genau, welche Bedeutung sie diesem Wort geben sollen, finden Macht irgendwie von weltgeschichtlichem und moralischem Übel und hätten es am liebsten, das, was damit bezeichnet wird, gäbe es nicht. Andere sehen in der Macht einen Aspekt eines historischen Disziplinierungsvorgangs, der den Einzelnen immer stärker unter abstrakte und rationalisierende Normen zwingt, und akzentuieren dann die Dialektik von Disziplinierung und Individualisierung, die wir ja derzeit gleichstark erleben. In einem solchen Feld, das von so widersprüchlichen Konfliktlinien bestimmt ist, könne sich eine widerspruchsfreie Persönlichkeitsstruktur durchaus nicht entwickeln. Das Subjekt als kohärente Einheit zu denken, falle dann immer schwerer, weil seine Struktur bestimmt sei von den verschiedensten sich überlagernden Schichten. Anstelle eines einheitlichen, mit sich und in sich identischen Subjekts haben wir es mit dem Wolpertinger zu tun, einer Eier-legenden-Woll-Milch-Sau.
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