Psycho-News-Letter Nr. 58 : Musik und Paradoxie
Könnten wir uns also vorstellen, dass Menschen einen stabilen Kern suchen und dass dieser die Gestalt einer musikalischen Melodie hat? Und könnten wir uns umgekehrt vorstellen, dass Menschen, die nur diesen Kern hätten und ihn nicht modulieren könnten, eben jene Charakteristika aufweisen, die wir als zwanghaft empfinden? Ich finde diesen Gedanken reizvoll, weil er einem plötzlich nahe legt, was Durcharbeiten in der therapeutischen Arbeit heißen könnte: die Modulationsmöglichkeiten erweitern, nachdem ein stabiler musikalischer Kern etabliert ist. Dabei entsteht in der musikalischen Modulationsarbeit oft genug ein gleichsam „zentrumsloser Bereich" wo sich die Musik verhält als könne sie sich nicht oder noch nicht entscheiden, auf welches Ziel sie zusteuere. Sie beschleunigt sich, manchmal erhält einfach der Rhythmus einer Melodie die Gewähr dafür, dass wir uns zuhörend erinnern, in welchem Stück wir uns noch befinden, während alles andere sich ändert und plötzlich kommen wir unerwartet auf einer neuen Anhöhe mit veränderter Aussicht an. Die musikalische Modulation ist tatsächlich dem Durcharbeiten vergleichbar und das gilt auch, wenn man weitere Modulationstechniken vergleicht, etwa von Dur nach Moll wandert.
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