Psycho-News-Letter Nr. 68 : Klassifikationen oder Kontexte?

Unsere öffentlichen Diskurse trennen zwischen den „Symptomen" auf der einen und den „Ursachen" auf der anderen Seite. Zu den „Ursachen" zählen viele die realen Ereignisse, wie z.B. die Traumatisierungen - und dann sieht es nicht selten so aus, als gäbe es einen Streit zwischen den Vertretern der „Ereignis"-Sicht und denen der „Symptom"- Sicht. Die einen beschuldigen dann die Welt, die anderen erklären mit dem chemischen Ungleichgewicht im Gehirn etwa die Symptome und entlasten dann die Welt. Alle können gute Belege anführen. Natürlich gibt es schwere chemische Gehirnstörungen und natürlich gibt es in dieser Welt entsetzlich verstörende Vorkommnisse. Dennoch wirkt diese Polarisierung des Diskurses im Grunde wie eine Kollusion, in der beide Seiten das gleiche meiden. Nämlich dass es verarbeitende Subjekte gibt, dass Menschen auf ihre Umwelten reagieren, dass sie die Dinge deuten so, wie Freud es mit den Tagesresten vorgeführt hat, und dass diese Deutungen selbst im Schlaf geschehen und natürlich auch bei Tage unter vielfacher Nutzung sozialer, kultureller und symbolischer Potentiale. Entscheidend bliebe, dass diese Kollusion des Diskurses das Subjekt und das Subjektive meidet und wenn das so wäre, hätten wir allen Grund, nicht empört, sondern zutiefst verstört zu sein. Denn mit der Eliminierung des Subjektiven würde die Psychoanalyse sich als ihr eigener Totengräber erweisen zu einem Zeitpunkt, an dem andere längst wieder entdecken, dass Freud lebt.

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