Doppelte Expertise im psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgungssystem : Eine explorative Studie über Fachkräfte mit eigener Krankheitserfahrung

Vom „kranken Arzt“ zur „Fachkraft mit doppelter Expertise“. Anfang der 2000er-Jahre beschäftigte sich der „Workshop über Gesundheit und Krankheit von Ärzten“ mit dem Bild des immer gesunden und belastbaren Arztes. Es ging dabei zunächst um somatische Erkrankungen und die Resonanz war groß. Bis zur ersten deutschsprachigen Monographie einer bipolaren Psychiaterin mussten aber noch einmal über zwanzig Jahre vergehen. In einer Zeit, in der es zunehmend leichter wird, auch öffentlich über eigene psychische Erkrankungen zu sprechen, bleibt es dennoch ungewohnt, wenn Menschen dies tun, die selbst im psychiatrischpsychotherapeutischen Versorgungssystem arbeiten. Wie offen gehe ich wem gegenüber damit um? Wird die Erkrankung als Makel angesehen oder gibt es nicht auch viele Vorteile, die eigene Krankheitsund Genesungserfahrung mit sich bringt? Ist die Selbsterfahrung einer psychischen Erkrankung vielleicht sogar wie eine profunde Weiterbildung zu werten, quasi als wünschenswert anzusehen? In der vorliegenden Arbeit werden in qualitativ-explorativen Interviews sehr unterschiedliche Perspektiven beleuchtet und im Sinne des „academic storytelling“ vorgestellt und ausgewertet. Befragt wurden eine 47-jährige Psychoanalytikerin, eine 28-jährige Sozialarbeiterin, eine 36-jährige Assistenzärztin in der Psychiatrie sowie ein 72-jähriger psychologischer Psychotherapeut. Den Einzelinterviews ging ein Fokusgruppeninterview voran. Hierfür kamen Nutzer*innen des Versorgungssystems zusammen, die sich mit der Frage beschäftigten, wie es wäre, wenn ihre Behandler*innen eigene Krankheitserfahrung hätten. Ein ergänzendes Einzelinterview wurde mit einer Person durchgeführt, die in einer echten Behandlungssituation erlebt hat, dass die Therapeutin von eigener Krankheitserfahrung berichtet. Neben Schwierigkeiten und Herausforderungen werden übergreifend eher die beruflich nutzbaren Vorteile einer eigenen durchlebten und bearbeiteten Erkrankung betont. Im Hintergrund steht das Konzept des „verwundeten Heilers“.

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